Freitag, 28. August 2009

Umsetzung 5

07.50 - 09.08 Uhr, ICE 591, Frankfurt/Main - Stuttgart Hbf

Rechtzeitig, also in dem Moment, da ICE 591 am Bahnsteig zum stehen kommt, erreiche ich nach den rundweg positiven ersten Erfahrungen mit Bahnhofskneipen auf dieser Tour den Zug. Es ist ein ICE der ersten Generation, leider vor wenigen Jahren umfassend modernisiert. Anstelle des schweren, teilweise drehbaren Gestühls laden jetzt zwar lederbespannte, aber nicht mehr ansatzweise so verschwenderisch komfortable Sitze zum Platznehmen ein. Mir gegenüber lassen sich zwei wie es scheint frisch aus der Uni entlassene Jungmanager nieder. Sie bemühen sich redlich, einen erwachsenen Eindruck zu vermitteln und diskutieren angestrengt über neueste wirtschaftliche Entwicklungen, ohne dass es so wirkt, als ob sie wirklich etwas davon verstehen. Als der Zugbegleiter die Zeitungen verteilt, entschließt sich einer für die "Welt Kompakt", sein Begleiter, dessen umständlich gestaltete Designerbrille leider nur bedingt den Eindruck eines persönlichen Stils erwecken kann, hält sich fortan hilflos an der "Süddeutschen" fest, die öffentlichkeitswirksam in Falten gelegte Stirn zeigt den Mitreisenden sehr schön, dass er im Oberstübchen hochaufmerksam an der Welt teilhat. Brav.

Ich habe nicht dein Eindruck, interessante Gespräche zu verpassen, als ich Kopfhörer aufsetze und den über mich kommenden Schlaf gewähren lasse. Leider verpasse ich darurch aber Mannheim, wo ich nach ursprünglicher Planung das zweite Gedeck des Tages einzunehmen gedachte. Vielleicht besser so!

Mich deprimiert Mannheim. Auf dem Panorama meiner persönlichen Niederlagen ist Mannheim sozusagen der höchste Berg aus der unschönsten Perspektive. Das hängt noch am wenigsten mit Mannheim selbst zusammen, es sind vielmehr die Lebensumstände des verhältnismäßig jungen Herrn Schumachers, welcher von Heilbronn kommend spätestens hier erkennen musste, das Liebe für´n Arsch ist und die von ihr Bedachte die Tränen nicht wert, die innerhalb der nächsten Monate mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch zu vergiessen sein werden.

Besser schnell weiter auf die Schnellfahrstrecke nach Stuttgart.

Dass Gott ein DJ mit verhängnisvollem Hang zu dramatisierender Akzentsetzung ist, verdeutlicht er nun mit dem Lied "L`amour tojours", welches durch seinen in meinem Leben kundigen Eingriff (und unterstützt durch die Wiedergabefunktion "Zufällig") aus den Tiefen der Festplatte gekramt und durchaus synchron mit der Fahrgeschwindigkeit abgespielt wird.

Every day and every night/I always dream that you are by my side

Zwischen Hockenheim und Vaihingen ziehen Wolken auf. Die postadoleszenten Wirtschaftsexperten vis-á-vis kriegen davon nichts mit, sie sind eingeschlafen. Offenbar haben sie sich zu lange selbst zugehört. Kann passieren!

Bei immernoch unveränderter Bewölkung kommt der ICE im Kopfbahnhof der Landeshauptstadt zum stehen, es beginnt erneut das Karussel von Ein- und Ausstieg sich zu drehen, und es wird höchste Zeit, das im Zug eingenommene Frühstück runterzuspülen. Bahnhofskneipen, wo seid ihr?

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